Jahrgang 2017

Hier finden Sie das Dokument zum jeweiligen Monat des Jahres 2017
(absteigende Reihenfolge):

 

Dezember 2017 – Ziegelei Reygers
November 2017 – St. Martin
Oktober 2017 – Amtshaus in Bork
September 2017 – Hasseler Kapelle

August 2017 – Mühle zu Bork-Hassel
Juli 2017 – Liegenschaft „Muna“
Juni 2017 – Ferdinand Zangerl – Der vergessene Baumeister
Mai 2017 – Jacob Vincenz Cirkel
April 2017 – Wing
März 2017 – Der heilige Nepomuk
Februar 2017 – Zugefrorene Lippe
Januar 2017 – Kreuzwegstationen Friedhof Bork

 

Dezember 2017

Luftaufnahme der ehemaligen Ziegelei Reygers an der Bahnhofstraße in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof Bork (mittig links)

Ziegelei Reygers

Das Haus der Familie Reygers prägt durch seine Lage und Aussehen am Ende der Hauptstraße das Ortsbild von Bork. Es wurde 1840 von Karl Schürmann erbaut, der mit Holz handelte, das er auf der Lippe transportierte. Da die Eheleute Schürmann kinderlos waren, adoptierten sie einen Neffen aus Bocholt – Hugo Reygers.

1885 errichtete dieser nahe der 1875 eröffneten Eisenbahnlinie Lünen-Gronau an der Bahnhofstraße eine Ziegelei. Für den Bau des Bahnhofs 1889 mit Güterabfertigung und Gleisanschluss stiftete er 15.000 Mark.

Den Rohstoff Lehm bezog das Unternehmen aus der unmittelbaren Umgebung. Arbeiter bauten ihn mit Spaten ab und beluden Loren, die die Fracht über ein Feldbahngleis zum Maschinenhaus transportierten. Eine von einer Dampfmaschine angetriebene Maschine mischte den Rohstoff, der danach zum Mahlwerk wanderte. Zwei Räder walzten den Lehm und pressten ihn durch eine formgebende Öffnung. Ein Schneidebügel teilte den glatten viereckigen Lehm in Stücke. Arbeiter ergriffen diese und beförderten sie auf Karren in die Trockenschuppen. Nach mehrwöchiger Lagerungszeit brachten sie die luftgetrockneten Ziegel in den Ringofen, wo sie in mehreren Kammern gestapelt wurden. Die Eingänge wurden anschließend feuerfest vermauert. Auf dem Ringofen standen mehrere mit Deckeln versehene Öfen, durch die Nusskohle geschüttet wurde, die entflammt den Ringofen beheizte und die Kammern mit erhitzter Luft versorgte. Dadurch wurden die Steine gebacken und fest. Der Ringofen konnte 180.000 Steine auf einmal brennen.

Um 1955 war das Lehmvorkommen aufgebraucht. Das Unternehmen pachtete im Nierfeld Grundstücke und baute den dortigen Lehm mittels eines Eimerkettenbaggers ab. Diesen transportierte man auf einer einen Kilometer langen Schmalspurbahn zur Ziegelei. Doch schon rund zehn Jahre später war auch dieses Lehmvorkommen erschöpft, so dass der Ziegeleibetrieb stillgelegt wurde. Ende der 1960-er Jahre erfolgte der Abbruch der Betriebsgebäude. 1971 erwarb die Firma Bartling das Brachgelände und baute das Werk II. Heute ist die Firma Wüllhorst Fahrzeugbau auf dem Gelände angesiedelt.

 

November 2017

St. Martin im Moment der Mantelteilung, Bronzeskulptur auf Steinsockel, 2011

St. Martin

In vielen Orten wird um den 11. November einem der bekanntesten Heiligen der katholischen Kirche gedacht: St. Martin.

Martinus wurde um 316/317 als Sohn eines römischen Militärtribuns in der Provinz Pannonia (heute Ungarn) geboren. Er schlug auf ausdrücklichen Wunsch seines Vaters eine Militärlaufbahn ein. Nach Ableistung seines Militärdienstes 356 lebte er ganz im Zeichen des christlichen Glaubens. Als asketischer Mönch errichtete er Klöster, und als Bischof von Tour (seit 372) baute er das Pfarrsystem aus.

Eine der bekanntesten Legenden ist die der barmherzigen Teilung seines Mantels. Dies soll sich noch in seiner Zeit als Soldat ereignet haben. An einem kalten Wintertag begegnete ihm am Stadttor von Amiens ein armer, unbekleideter Mann. Außer seinen Waffen und seinem Militärmantel trug Martin nichts bei sich. Er teilte seinen Mantel mit dem Schwert und gab eine Hälfte dem Armen. In der folgenden Nacht soll ihm im Traum Christus erschienen sein, bekleidet mit dem halben Mantel, den Martin dem Bettler gegeben hatte. Martin hatte im Sinne der Bibelstelle gehandelt: „Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich gekleidet. Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,35-40)

Am 8. November 397 starb Martin im Alter von 81 Jahren auf einer Reise durch sein Bistum. Sein Leichnam wurde in einer Lichterprozession mit einem Boot nach Tours überführt, wo er am 11. November beigesetzt wurde.

Der Martinstag wird in vielen Gebieten mit einem Lichterumzug gedacht, an dem vor allem Kinder teilnehmen. So ist auch der Martinsumzug mit Nachempfinden der Teilung in Bork fester Bestandteil des Kirchenjahres.

Die Initiative zur Aufstellung eines Kunstobjekts in Bork in Gedenken an St. Martin ergriff die Stadtverwaltung Selm. Im Juli 1991 traf der Kulturausschuss seine Wahl aus sieben eingereichten Vorschlägen. Der erste Preis ging an den aus Kamen stammenden Bildhauer Prof. Lothar Kampmann (1925-1993). Die Skulptur wurde am 5. November 1992 im Rahmen des Borker Martinsumzuges der Öffentlichkeit übergeben.

Mit der Bronzeskulptur „St. Martin“ wird eine Verbindung zu dem seit 1923 jährlich stattfindenden Borker Martinsumzug geschaffen. Sie zeigt den Moment des Teilens und Gebens und soll an die Schwierigkeiten im West-Ost-Verhältnis in Europa sowie im Nord-Süd-Verhältnis zwischen Europa und Afrika erinnern.

 

 

Oktober 2017

Amtshaus Bork, 1925 (Ansichtskarte Verlag B. Hentzel, Bork)

Amtshaus in Bork

Nach Inbesitznahme Westfalens 1815 führte Preußen eine Verwaltungsreform durch. Aus den ehemaligen Kirchspielen Selm, Bork und Altlünen wurde die Bürgermeisterei Bork gebildet. Mit der Einführung der Westfälischen Landgemeindeordnung 1843 entstand das Amt Bork mit den Gemeinden Altlünen, Bork (mit Cappenberg) und Selm. Der Sitz der Amtsverwaltung befand sich in Bork in den Häusern Hauptstraße 3 und 6. Nach dem Zuzug von über 6.000 Menschen im Zusammenhang mit der Zeche Hermann (1906 abgeteuft) und den Bau der Bergarbeitersiedlung 1909 in Selm reichte der Platz in den angemieteten Gebäuden für die zu erledigenden Verwaltungsaufgaben nicht mehr. Der Bau eines größeren Verwaltungsgebäudes, des Amtshauses, war erforderlich. Dieses wurde 1911/12 nach den Plänen der Dortmunder Architekten Dietrich und Karl Schulze (1864-1938 bzw. 1876-1929) im Stil des Neo-Barocks erbaut. Die feierliche Einweihung fand am 2. Mai 1912 statt.

Der Blick vom Vorplatz auf das Gebäude offenbart dessen besondere Bedeutung. Einer Landmarke gleich ist das Amtshaus mit einem Turm mit Uhr versehen; das Turmdach ähnelt dem der St.-Stephanus-Kirche. Der repräsentative Haupteingang ist von Säulen und einem Giebel mit dem preußischen Adler eingerahmt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg reichten durch Übernahme zusätzlicher Verwaltungsaufgaben (Lastenausgleich, Flüchtlinge, Wohlfahrt, Bautätigkeit) die Räumlichkeiten nicht mehr aus, so dass die Amtsverwaltung 1955 an der Nordseite des Amtshauses einen Seitenflügel mit 32 weiteren Büros errichten ließ. Und 1969 entstand an der Südseite ein sechsgeschossiger Betonbau nach dem Entwurf des Architekten Prof. Harald Deilmann aus Münster (1920-2008). Altbau und Neubau stehen bewusst in einem auffälligen Kontrast.

Mit der kommunalen Neuordnung 1975 wurde Altlünen mit der Stadt Lünen vereinigt. Bork mit Cappenberg und Selm bildeten fortan die Gemeinde Selm (seit 1977 Stadt Selm). Der Verwaltungssitz verblieb im Amtshaus, das, obwohl das Amt Bork längst der Geschichte angehört, weiterhin seinen Namen trägt.

 

 

September 2017

Fronleichnamprozession an der Hasseler Kapelle, um 1930 (Foto: Karl Pingel)

 

Hasseler Kapelle

In der Bauerschaft Hassel liegt an der Lünener Straße auf einem kleinen Hügel („hillige Knapp“) eine Kapelle, über deren Ursprung nur wenig bekannt ist. Das jetzige Gebäude ließ der Probst des Stiftes Cappenberg, Johann Engelbert von Ketteler, im Jahre 1725 anstelle einer älteren, im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) zerstörten Kapelle erbauen.

Am 13. Dezember 1379 übergaben Johann Morrian, seine Frau Richmot und seine Kinder dem Stift Cappenberg Land zur Errichtung der Kapelle zur Heide („tor Heyde“ in Hassel), die 1381 fertiggestellt war. Die Errichtung dieser Kapelle geht mit dem Bau weiterer Bauerschaftskapellen um diese Zeit einher. Urkundlich belegt sind für 1374 die Antonius- oder Biethmanns Kapelle in Werne-Langern, 1376 die Kapelle in Lünen-Alstedde, 1379 in Netteberge, Cappenberg und in Beifang, 1380 die Rochuskapelle in Werne-Lenklar und 1381 auf dem Hof Schulze Altcappenberg und in Altenbork. Die Errichtung dieser Kapellen, für die zum Teil auch ein Friedhof belegt ist, stehen vermutlich mit den seit um 1350 auftretenden Pestepidemien in Verbindung und dienten dem Zweck, die Pesttoten in den Bauerschaften vor Ort zu bestatten.

Welche Beweggründe den Propst des Stiftes Cappenberg dazu veranlassten, 1725 eine neue Kapelle errichten zu lassen, ist nicht bekannt. Überliefert ist, dass hier zahlreiche Wunder geschahen, die auf das „wundertätige“ Kruzifix in der Kapelle zurückgeführt werden, das in das 12./13. Jahrhundert datiert wird. Zeugnis für die vielen Wunder sind Votivgaben aus Holz in Form von Armen und Beinen, die man als Zeichen des Dankes für die Heilung in die Kapelle gab.

In den ersten Jahren nach der Errichtung der Kapelle nahm die Verehrung des Kreuzes mehr und mehr zu. Seit 1725 kam jeden Freitag ein Kanoniker des Stiftes Cappenberg hierher, um das hl. Messopfer zu feiern, und viermal jährlich wurde an drei aufeinander folgenden Freitagen ein feierlicher Gottesdienst gehalten. Aus diesem Grund wurde 1725 auch ein Andachtsbüchlein mit Gesängen herausgegeben. Wie aus der Einweihungsurkunde von 1755 und einer weiteren Urkunde von 1816 des Papstes Pius VII. hervorgeht, konnten in der Kapellen Ablässe zur Vergebung von Sünden erlangt werden.

Die Hasseler Kapelle gehört zu den Wallfahrtskappellen. Noch für die Jahre 1885 bis 1895 sind Wallfahrten besonders an den Freitagen in der Fastenzeit und an Tagen der Karwoche überliefert, an denen Wallfahrer von Lünen, Selm, Werne, Südkirchen, Olfen, Lüdinghausen und Seppenrade hierher pilgerten.

Während des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) fand nahe der Kapelle ein Gefecht statt. Rund 2.000 Soldaten (Preußen und Hannoveraner) zogen sich von Lünen kommend nach Bork zurück, verfolgt von französischen Truppen. Während die Allierten auf der Schlucht in Bork ihr Lager aufschlugen, nahmen die Franzosen Stellung an der Kapelle. Am nächsten Tag eröffneten die Alliierten von Bork aus das Kanonenfeuer, mehrere Franzosen wurden hierbei getötet. Sie wurden an der Kapelle bestattet. Einige Kugeln haben auch das Mauerwerk der Kapelle beschädigt.

Anlässlich der 200-Jahrfeier zum Bestehen der Kapelle im Jahre 1925 wurde diese grundlegend saniert. Hierbei fanden Veränderungen in der Ausstattung statt. Weitere Sanierungsmaßnahmen wurden 1952 und 2017 durchgeführt.

Ausgestattet ist die Kapelle mit einem steinernen Inschriftenband über dem Eingang; die lateinische Inschrift lautet übersetzt: „Ehre das Bildnis Christi, wenn du vorübergehst. Aber bete nicht das Bildnis an, sondern den, den es darstellt.“ Der Schlussstein über dem Eingang enthält die Jahreszahl 1725 als das Jahr der Erbauung. Im Giebel sind eine Glocke und das Wappen des Erbauers angebracht; das Wappen zeigt einen Kesselhaken, der den Namen Ketteler widerspiegelt. Im Inneren der Kapelle steht ein Altar, darüber ist eine Kreuzigungsgruppe angebracht: das romanische Kreuz mit Kruzifix, rechts und links Maria und Johannes. An der Wand hängen mehrere Votivgaben; darüber hinaus ist ein Opferstock von 1675 im Eingangsbereich angebracht. Zwei bunte Glasfenster geben der Kapelle Licht.

 

 

August 2017

Ansicht der Mühle in Bork-Hassel, um 1910

Mühle zu Bork-Hassel

An der Lünener Straße in Bork-Hassel stand einst eine Windmühle; die Erinnerung an sie ist verblasst. Der Müller, der sie erbaute und betrieb war Friedrich Wigger.

Wigger wurde am 17. Mai 1805 in Wilmstorf bei Dassow in Mecklenburg geboren. Zusammen mit Ludwig Graf von Kielmannsegg, dem Schwiegersohn des Freiherrn vom Stein, kam er nach Cappenberg. Auf der Anhöhe des Weinbergs – hier befindet sich heute das Freiherr-vom-Stein-Denkmal – errichtete er 1842 eine Windmühle zum Mahlen von Korn.

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts mussten die Borker ihr Korn in den Wassermühlen der Lippe beim Haus Dahl in Altenbork oder beim Haus Horst in Waltrop-Lippe mahlen lassen. Friedrich Wigger erkannte für sich eine Chance und ließ von dem Bauunternehmer Ferdinand Zangerl in Bork 1856/57 an einer windigen Stelle an der Lünener Straße in Bork-Hassel eine Windmühle nebst Wohnhaus errichten. Die Steine für den Bau der Gebäude stellte sein Schwager Joachim Räth im Feldbrand her. Räth stach hierzu Lehm aus einer hinter der Mühle liegenden Wiese, formte mit der Handform Steine, trocknete und brannte sie. Es werden schätzungsweise 150.000 Steine für den Bau benötigt worden sein – alle in Handarbeit im Eigenbetrieb hergestellt.

Nach Fertigstellung des Gebäudes gab Friedrich Wigger den Mühlenbetrieb in Cappenberg auf. Ludwig Graf von Kielmannsegg fand keinen Nachfolger, worauf er die dortige Mühle abbrechen ließ.

Wie aus dem Ankauf mehrerer Grundstücke in den folgenden Jahren zu erschließen ist, scheint Friedrich Wigger einen guten Verdienst gehabt zu haben. Er brachte es zu hohem Ansehen in der Gemeinde Bork, so wurde er auch in den Kreistag Lüdinghausen gewählt. Seine Familie soll seiner Zeit die einzige evangelischer Konfession in Bork gewesen sein. Friedrich Wigger war auch der erste, der im Ort einen Weihnachtsbaum aufstellte.

Wigger starb am 2. Mai 1876 in Bork. Seine Frau Catharina führte den Mühlenbetrieb mit Unterstützung ihres Bruders Joachim Räth so lange weiter, bis ihr Sohn Heinrich Franz Johann Wigger den Betrieb übernahm. Die Mühle ging nach dessen Tod 1910 an die Familie Haverbeck über, die bereits in Selm eine eigene Mühle betrieb. 1973 wurde die Borker Mühle als letzte in Betrieb stehende im Kreis Lüdinghausen stillgelegt und fünf Jahre später abgebrochen.

 

Juli 2017

Ehemaliger Reichsadler ohne Hakenkreuz im Eingangsbereich zur Muna

 

Liegenschaft „Muna“

Zwischen Lünen-Altlünen und Selm-Bork liegt in einem weitläufigen Waldgebiet eine Liegenschaft, die unter der Bezeichnung „Muna“ bekannt ist, die Abkürzung für Luftwaffen-Haupt-Munitionsanstalt. Sie war die größte und wichtigste Produktionsstätte für Munition der deutschen Luftwaffe zur Zeit des Nationalsozialismus und mit bis zu 1.600 Männern und Frauen größter Arbeitgeber in der ehemaligen Gemeinde Bork.

1935 begannen die Bauarbeiten auf dem 400 Hektar großen Gelände. 1938 konnte die Muna in Betrieb genommen werden. Im Eingangsbereich befanden sich zwei Kasernengebäude als Unterkunft für die SS, die die Bewachung übernahm. In weiteren Gebäuden waren u. a. die Verwaltungsräume, das Krankenzimmer, die Lohnstelle, die Nähstube und ein Aufenthaltsraum („Kameradschaftsheim“) untergebracht.

Östlich des Eingangsbereiches befanden sich zwei Fertigungsanlagen. Auf Grund ihrer verwinkelten Kreuzform bezeichnete man sie als „Spinnen“. Sie bestanden jeweils aus fünf mit Gängen verbundenen Hallen. Die Wände bestanden aus starken Mauern. Die Dächer waren leicht konstruiert, damit im Falle einer Explosion der Druck nach oben entweichen konnte. In den beiden Anlagen wurden Flakmunition, Minen, Leuchtmunition und chemische Kampfstoffe hergestellt.

Südlich davon befanden sich 100 Bunker, in denen bis zu 10.000 Tonnen Munition gelagert werden konnte, die über ein Bahngleis an die Front versandt wurde.

Beim Bau der Munitionsanstalt wurden nur so viele Bäume wie unbedingt notwendig abgeholzt. Die Kronen sollten nach Möglichkeit die Anlage verdecken. Die Gebäude waren mit Tarnnetzen behängt, die Bunker mit Erde überschüttet und bepflanzt.

Nachdem alle wehrfähigen Arbeiter an die Front geschickt wurden, griff man auf Fremdarbeiter („Ostarbeiter“) zurück, die während des Zweiten Weltkriegs aus den von deutschen Truppen besetzten Gebieten freiwillig oder zwangsweise in das Deutsche Reich gebracht wurden. 292 vorwiegend junge russische und polnische Frauen und Männer waren im „Ostarbeiterlager“ der Muna untergebracht.

 Am 31. März 1945 gab das Militär die Munitionsanstalt auf. Damit die Munition nicht in die Hände der anrückenden Alliierten fiel, sprengten die Deutschen die Bunker. Hierbei stürzten die Betondecken ein und begruben die eingelagerte Munition.

Nach dem Krieg räumten britische Einheiten die erhalten gebliebenen Anlagen zur Munitionsherstellung und -lagerung sowie noch vorhandene Munitionsbestände. Große Mengen Kampfmittel wurden vor Ort im Wald gesprengt, die in die Umgebung geschleudert wurden, ohne zur Zündung zu kommen. Dadurch sind noch immer weite Teile der ehemaligen Muna mit Munition verseucht und gesperrt.

1951 wurden rund 50 Hektar der Bereitschaftspolizei des Landes Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellt. Am 26. November 1951 marschierte die erste Hundertschaft in den Standort ein.

Die Bundeswehr stellte 1962 auf dem größten Teil des Geländes das Gerätehauptdepot für die 7. Panzerdivision in Dienst. Das in Bork stationierte Depot galt als eine der größten und am besten organisierte Einrichtung seiner Art in der Bundesrepublik. Mit dem Ende des „Kalten Krieges“ kam es 2008 zur Schließung des Standortes.

Auf einem Teil dieses Geländes siedelte sich 2013 das Forschungs- und Technologiezentrum Ladungssicherung Selm GmbH (LaSiSe) an, das mit wissenschaftlichen Methoden die Sicherheit von Fahrzeugen auf den Straßen zu verbessern sucht.

Einige wenige Gebäude sind erhalten geblieben, darunter das Pförtnerhaus und das Kameradschaftsheim. An einem der Kasernengebäude prangt noch immer der ehemalige Reichsadler – ohne Hakenkreuz. Das kontaminierte und öffentlich nicht zugängliche ehemalige Bunkergelände ist voller Idylle. Die Natur hat sich das von Menschen gestaltete Gebiet zurückerobert. Ehemalige Sprengtrichter sind mit Wasser gefüllt und zu Biotopen geworden, die seltene Pflanzen und Tiere beherbergen. Die Idylle ist jedoch trügerisch. Munition ist immer noch da und lediglich von einer Laubschicht bedeckt. Der Zahn der Zeit nagt an dieser Munition. Sie ist korrodiert und tödlich, wenn man auf sie tritt.

 

Juni 2017

Ferdinand Zangerl – Der vergessene Baumeister
Er baute ein Schloss, trotzdem kennt ihn so gut wie niemand mehr. Reste einer Grabinschrift erinnern an diesen Mann, der einen tragischen Tod fand.

Ferdinand Zangerl wurde am 20. April 1813 auf einem Bauernhof in der Nähe von Tobadill im Stanzertal in Tirol geboren. Familien gleichen Namens leben heute noch in der kleinen Gemeinde, die rund 500 Einwohner zählt. Er absolvierte eine Maurerlehre, verließ aber wie viele andere Tiroler auf Grund von Überbevölkerung, Arbeitslosigkeit und allgemeiner Armut seine Heimat. Zangerl kam über Köln nach Bork, wo er sich im Haus Hauptstraße 1 niederließ und eine Baufirma gründete.

Für die Familie von Frydag erbaute Ferdinand Zangerl 1845/46 Schloss Buddenburg in Lippholthausen bei Lünen in klassizistischem Stil. Als Vorbild diente das von Karl Friedrich Schinkel errichtete Schloss Tegel in Berlin. Schloss Buddenburg wurde 1977 abgebrochen.

1856/57 errichtete er eine Windmühle in Bork-Hassel im Auftrag Friedrich Wiggers, der zuvor Schlossmüller zu Cappenberg war und sich in Bork neu niederließ. Diese Mühle übernahm später Bernhard Haverbeck; sie ist seit 1978 aus dem Ortsbild verschwunden.

Erhalten geblieben ist das Haupthaus des Gutes Scheda bei Wickede, das Ferdinand Zangerl 1861/62 fertigstellte. Den Auftrag hierzu erhielt er von Ludwig Graf von Kielmannsegg, Schiegersohn des Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherrn vom und zum Stein zu Cappenberg.

Am 6. August 1865 starb Ferdinand Zangerl an den Folgen innerer Verletzungen nach einem Raubüberfall im Hervest-Dorstener Wald. Er hatte sich auf dem Weg nach Dorsten befunden, um die Lohngelder an seine dort beschäftigten Arbeiter auszuhändigen. Zwei Räuber lauerten ihm auf und verletzten ihn schwer durch Fußtritte.

Sein Grabstein auf dem Friedhof in Bork ist erhalten, die Grabinschrift zum Teil verwittert. Sie befindet sich auf dem 12. Standbild („Jesus stirbt am Kreuze“) des Kreuzweges, den Pfarrer Bernhard Pröbsting 1865 aufstellen ließ.

 

Mail 2017

Titelseite der Erzählung „Hilborn“ von Jacob Vincenz Cirkel, 1830 (Foto Stadtarchiv Selm)

Jacob Vincenz Cirkel

Jacob Vincenz Cirkel wurde 1800 als Sohn eines Holzhändlers nahe Haus Dahl geboren. Von Kindheit an litt er an einer Lähmung an beiden Füßen. Er verfügte über eine schriftstellerische Ader. Als Autodidakt verfasste er Gedichte, die veröffentlicht wurden. Aus seiner Feder stammt auch die Novelle „Hilborn“, in der die langsame Verstrickung eines ursprünglich guten Menschen in das Böse beschrieben ist.

Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein (1757-1831) erkannte sein Talent und förderte ihn. Er versorgte ihn mit Literatur und vermittelte ihm die Stelle des „Post-Expediteurs“ (Posthalter) in Bork. Darüber hinaus unterstützte er Cirkel, indem er in Adelskreisen für das schriftstellerische Werk warb und Subskribenten suchte. Dem Prinzen Wilhelm von Preußen schrieb er: „Geruhe Es Königliche Hoheit einen Blick der Milde auf den Verfasser der beiden anliegenden Bändchen zu werfen. Ein kleines Jahrgeld von 25 Talern, das seine durch die Wohltätigkeit anderer gesicherte Einnahme auf 100 Taler bringen würde, wäre das Ziel seiner Wünsche.“ Zum Dank verfasste Jacob Vincenz Cirkel 1831 ein Gedicht mit dem Titel „Elegie auf Steins Tod“, in dem er den Tod seines Mäzens mit „heißen Thränen beweinte“.

Trotz Behinderung und inzwischen auch unter Asthma leidend unternahm Cirkel 1827 eine Studienreise durch Deutschland. Um seine Atemnot zu lindern, nahm er Opium und Hirschhorngeist „bis zum Übelwerden“. Er starb 1833 im jungen Alter von nur 32 Jahren an Lungentuberkulose. Man bestattete ihn auf dem Friedhof in Bork. Seine Grabinschrift hatte er selbst verfasst und in dem Buch „Hilborn“ veröffentlicht:

„Hier ruht in der Erde dunkelm Schooß,
Den ihrer Blumen schönste nie geblüht;
Des Lebens Freuden waren nicht sein Loos,
Der Schwermuth sang er sein verklungnes Lied.
Das beste nur, was ihm die Erde gab
War dieses hier – ein frühes stilles Grab.“

Die Erinnerung an ihn ist geblieben. Schon zu Lebzeiten fand er Aufnahme in das 23-bändige Werk „Das gelehrte Teutschland oder Lexikon der jetzt lebenden teutschen Schriftsteller“.

 

April 2017

Wing

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Frage, was Kunstwerke darstellen oder bedeuten, in den meisten Fällen nicht beantwortet werden kann. Kunstwerke im öffentlichen Raum lassen aber immer Spielraum für Interpretationen zu. Dies gilt auch für die Skulptur auf dem Borker Kreisverkehr im Zuge der der B 236 (Lünener Straße / Ostwall), die es zu entdecken gilt, die auffällt und zur Interpretation anregt – deutlich wird dies an der Ehrenrunde im dem Kreisverkehr von Autofahrern, die „Wing“ zum ersten Mal sehen.

Der Entwurf zur Skulptur wurde von der Selmerin Liv Pasburg als Schülerin des Kunst-Leistungskurses des Städtischen Gymnasiums Selm gefertigt. Die Schülerinnen und Schüler beschäftigten sich zum Thema „Kunst im öffentlichen Raum“ mit Arbeiten des US-amerikanischen Bildhauers Alexander Calders (1898-1976), dessen sog. Stabiles weltweit Plätze prägen. Im Kunstunterricht galt es, diese Vorbilder in eigenständige Arbeiten als Tierdarstellungen umzusetzen.

Die so von Liv Pasburg geschaffene Plastik lässt auf den ersten Blick an ineinander verschränkte Vögel denken – wodurch es auch als „Adlerhorst“ bezeichnet wird. Dynamik, Leichtigkeit und Bewegung zeichnen die Tierfiguration aus; Bogenformen und Durchbrüche erlauben Durchblicke.

Der Entwurf gefiel dem Wirtschafts- und Kulturförderverein Selm, der sich dafür einsetzte, dass die Plastik als sechs Meter hohe Stahlskulptur umgesetzt und 2006 auf dem Kreisverkehr Lünener Straße / Ostwall / Netteberger Straße aufgestellt wurde. Entscheidend für den Standort Kreisverkehr war, die wechselnde Perspektive: Autofahrern bietet sich aus der jeweiligen Einfahrt in den Kreisverkehr ein anderes Bild des Kunstwerks – und damit eine eigene Interpretation.

 

März 2017

Foto: Dr. Peter Löffler, um 1970

Der Heilige Nepomuk

An der Bahnhofstraße 18 befindet sich ein Standbild, das auf den ersten Blick so gar nicht hierher zu passen scheint: Es zeigt den Brückenheiligen Nepomuk, jedoch ist weit und breit weder Wasser noch eine Brücke zugegen.

Das Standbild gehört zu den ältesten religiösen Wegemalen in Bork und wurde 1985 in die Denkmalliste der Stadt Selm aufgenommen. Am 24. Juli 1750 ließ der Bauer Karmann in Altenbork das Standbild aufstellen. Es sollte diejenigen Borker beschützen, die als Fischer und Schiffer auf der Lippe ihrer Arbeit nachgingen.

Die sehr schöne Sandsteinfigur ist mit 160 cm beinahe lebensgroß. Sie steht auf einem 130 cm hohen Steinsockel. Der Heilige Nepomuk ist in charakteristischer Manier als Priester in Talar und Rochett dargestellt. Auf seinem Haupt trägt er ein Birett, und in seinen Armen hält er das mit ihm verbundene Attribut – ein Kruzifix.

Nepomuk wurde um 1350 als Johannes Welflin oder Wolfflin im westböhmischen Pomuk (heute Nepomuk) bei Pilsen geboren. Im Streit um die Abtwahl eines Klosters ließ ihn König Wenzel IV. grausam foltern und am 20. März 1393 von der Karlsbrücke in Prag in die Moldau werfen. Der Legende nach soll die Leiche des im Wasser Treibenden von fünf Flammen umsäumt gewesen sein. Auch soll die Moldau ausgetrocknet sein, so dass der Leib des Toten aufgefunden werden konnte.

1721 erfolgte seine Seligsprechung, 1729 die Heiligsprechung. Der Heilige ist Schutzpatron der Müller, Schiffer und Flößer und Beschützer der Brücken. Seine früheste Verehrung in Westfalen ist für das Jahr 1710 in Havixbeck belegt.

Auf dem Sockel des Standbildes ist das Relief der Heiligen Veronika mit dem Schweißtuch angebracht. Sie soll das Gesicht Jesu auf dessen Kreuzweg zum Kalvarienberg mit einem Tuch von Blut und Schweiß gereinigt haben. Dabei soll sich auf dem Stoff das Antlitz Jesu als Abdruck erhalten haben. Die Heilige Veronika gilt als Beschützerin gegen Viehkrankheiten. Ihr Bild wurde auf dem Sockel angebracht, da zur Zeit der Aufstellung des Bildstocks eine Viehseuche grassierte.

 

Februar 2017

Zugefrorene Lippe

Der Winter 1928/29 war äußerst kalt und lang. Im Februar drang eine extrem kalte Festlandsluft aus Osten nach Mitteleuropa vor. Sie brachte am 11. Februar in Deutschland Tiefstwerte bis zu minus 37 Grad. In den folgenden Tagen wurden tagsüber immerhin noch bis zu minus 20 Grad gemessen, so dass alle Gewässer zufroren. Am 12. Februar 1929 überquerten hunderte von Menschen den Rhein, der bereits auf einer Länge von 20 Kilometern zugefroren war. Am Wochenende darauf machte sich Jahrmarktstimmung breit: In Lorchhausen spielte eine Kapelle zum Tanz auf dem Eis auf und bei Bacharach konnten sich die Fußgänger auf dem Rhein mit warmen Würstchen stärken und an Glühwein wärmen. Und die Kälte hielt an. Am 19. Februar war der Rhein nunmehr auf 350 Kilometern zugefroren. Dort, wo er zwischenzeitlich auftaute, türmten sich dicke Eisschollen auf. Da das Eis den Rhein staute, drohte Hochwasser. Mit Sprengungen sollte das Wasser zum Abfließen gebracht werden – der Versuch misslang. Erst Anfang März setzte Tauwetter ein, so dass sich die Lage entspannte.

Ein Foto vom Februar 1929 zeigt den Borker Lehrer Karl Pingel mit seinem Sohn auf der zugefrorenen Lippe. Seit diesem Jahr ist der Fluss eisfrei. Ein Grund hierfür sind die warmen Abwässer, die die Lippe künstlich aufheizen.

Die Lüner Zeitung begrüßte den kalten Winter. In einem Artikel von Ende Februar ist zu lesen: „Der Frost hat, wie fast alle Naturereignisse, nicht nur einen hohen Wert durch die eingetretene Ruhepause für den Erdboden, sondern dient auch zur Gesundheit des menschlichen Körpers, dem der trockene Frost besser zusagt, als die weiche und ungesunde Regen- und Nebelzeit. Doch einen ganz besonderen Nutzen hat der gegenwärtige Winter noch dadurch im Gefolge, daß er den überhand genommenen Nagern, den Ratten und Mäusen, den Tod gebracht haben wird. Der Schaden, den diese Tiere im vergangenen Jahre den Ernteerträgen verursachten, ist noch in aller Gedächtnis. Die Schneelage wieder hat den Vorteil, daß sie nicht nur die Kartoffeln in den Gruben, sondern auch die Saaten schützt.“

Januar 2017

Das Foto zeigt die 12. Kreuzwegstation (Jesus stirbt am Kreuz) der Familie Zangerl

Kreuzwegstationen Friedhof Bork

Auf dem Borker Friedhof hinterließ Bernhard Pröbsting besondere Spuren. Er kam 1829 nach Bork und nahm die Stelle eines Kaplans an der St.-Stephanus-Kirche an. Von 1847 bis 1870 wirkte er hier als Pfarrer.

Bis 1810 fanden die Beerdigungen auf dem Kirchhof um die St.-Stephanus-Kirche statt. Am 5. Mai des Jahres wurde der Friedhof gegenüber dem späteren Amtshaus geweiht. Dieser wurde zu Beginn der 1860-er Jahre erweitert. Pfarrer Bernhard Pröbsting wünschte sich hierzu einen Kreuzweg mit 14 Stationsbildern, damit „der Todten-Acker […] eine besondere Zierde erhält, und der religiöse Sinn der Christen durch die eingerichtete Kreuzweg-Andacht bedeutend erhöhet wird.“ Die Aufbringung der Kosten in Höhe von mindestens 600 Talern durch Kollekten erschien ihm nicht durchführbar. Aber er hatte eine Idee. Diese teilte er in einem Schreiben vom November 1864 dem Amtmann zu Bork mit und bat, sein Vorhaben zu genehmigen: „Ich habe daher einen andern Weg eingeschlagen, indem derjenige, der ein solches Stationsbild gibt, das Recht haben soll, hinter diesem Bilde begraben zu werden.“ Die Idee modernen Sponsorings war geboren. Die Gemeindevertretung Bork gab ihre Zustimmung zu diesem Projekt.

Der Pfarrer fand für alle Stationen einen Geldgeber. Unter ihnen waren der Kaufmann und Holzhändler Cirkel, der Baumeister Ferdinand Zangerl und der Bürgermeister Friedrich Wilhelm Köhler. Hermann Pröbsting selbst finanzierte die 7. Station: „Jesus fällt zum 2. Mal unter dem Kreuz“ und wurde hier 1870 begraben. Elf Stationsbilder sind erhalten, das des Pfarrers leider nicht.

Der Kreuzweg ist jene Straße, die Jesus vom Amtssitz des römischen Statthalters Pontius Pilatus zur Hinrichtungsstätte am Hügel Golgota gehen musste. Im Heiligen Land gingen Pilger diesen Weg, um das Leiden und Sterben Christi anschaulich zu erleben. Aber nicht allen Christen war es möglich, das Heilige Land zu besuchen. So baute man in Europa Nachbildungen des Kreuzweges, um den Leidensweg Jesu trotzdem nachvollziehen zu können.